Montag, 1. Juni 2015

FANTAstisch... blödsinnig

KKWissen
Zwischen Wahrnehmung und Realität

Über die neue Fanta, die alte und warum manche Diskussionen sinnlos sind
und andere verdammt nötig


Es gibt diese Momente, in denen sich etwas in mir aufbäumt und der kleine Mann im Ohr leise flüstert: "Ruhig, Brauner, hoooo, ruuhiiig... Du hast Feierabend..."
Meine Antwort an ihn: Du hast recht, ich sollte die Klappe halten. 
Es gibt bessere Gelegenheiten...

So zum Beispiel geschehen vor zwei Tagen, als ich unfreiwillig der Diskussion von zwei Eltern folgte, die sich über den Wunsch ihres Kindes stritten, das gerne eine Cola wollte. 

Der Vater meinte "Klar, wieso nicht". Die Mutter war vehement dagegen. 
Das Kind solle etwas gesünderes, vernünftigeres trinken, und Cola sei das sicher nicht. 
Sie bestellte - eine Fanta...








Fanta ist orange, erinnert an Orangensaft und scheint offensichtlich deshalb gesünder. Vermutlich ist es diese Wahrnehmung, die die seltsame Logik begleitet, mit Fanta etwas Gutes fürs Kind zu tun. Tatsächlich ist beides falsch. Gesünder sind weder Fanta - noch Orangensaft.


Zeit für einen kleinen Faktencheck...

Eine handelsübliche Coca Cola hat auf einen Liter 106 Gramm Zucker, das ist über der vierfache Tagesbedarf für einen Erwachsenen, den die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt.

Bezogen auf ein Schulkind liegen wir über das sechsfache darüber und bei Kindern zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr übersteigt das das achtfache.

Auf ein Cola-Glas 0,33 bezogen heisst das für die Jugendlichen also doppelt drüber 
und die Lütten 4-8jährigen liegen mit dem unschuldig-braunen Nass mit einem einzelnen Glas dann satt beim 2,5 fachen ihrer Tagesobergrenze
Nochmal: Wir reden von einem Glas!

Anders gesagt: hat z.B. ein Zwölfjähriger seinen Megadurst mit einem halben Glas Cola gestillt, dürfte er den Rest des Tages eigentlich nichts mehr zu sich nehmen, das auch nur annähernd zugesetzten Zucker zugefügt hat. 

Und - um das glasklar zu stellen: 
Diese Grenze bedeutet nicht, dass man bei Einhaltung oder knapp darunter gesund lebt. Nein - sie bedeutet, dass jedes darüber mit dem Risiko einer Zunahme und den damit einhergehenden gesundheitlichen Problemen verbunden ist.


Und jetzt schauen wir uns doch mal eben die Fanta im Vergleich dazu an:

Fanta Orange hat einen Zuckergehalt von 91 Gramm auf den Liter. Das ist tatsächlich ein bisschen weniger. Aber wie sich das nun wieder im Verhältnis zu den Kindern verhält zeigt doch klar, dass die Fanta in der Realität mit Sicherheit nicht das bessere Getränk ist. 

Denn trinkt ein Jugendlicher EIN GLAS, ist er auch damit schon beim 1,6 fachen des Tagessolls, und das kleine Mädchen aus der Begegnung oben, die ganz sicher zwischen 4 und 8 Jahren als war freut sich über das 2,2fache ihres Tagesbedarfs (statt dem 2,5fachen). 


Und damit kommen wir zur Frage: 
Wo bitteschön ist das tatsächlich ein echter Gewinn? 


Ich habe den Eltern (und Euch) mal eine kleine Tabelle vorbereitet, mit ein paar anderen Getränken, damit die Illusion der Wirklichkeit weichen darf.



Mobilnutzern empfehle ich den Download der PDF für bessere Lesbarkeit
(Link ganz unten)


Ein blödsinniger Shitstorm - die neue Fanta Klassik:
Ich weiss nicht, ob Euch das auch schon erreicht hat, aber Fanta hat die alte schnuckelige Ringflasche momentan als Fanta klassik wieder im Angebot. Ich sah die Flasche während der Recherchen zu diesem Beitrag und hab sofort tiefe nostalgische Gefühle bekommen. Jaaaaa, die gab's bei mir früher auch. Im Schwimmbad, oder ab und zu wenn wir mal mit Opa im Restaurant waren... Hachz.

Vielen wissen gar nicht so genau über die Geschichte von Fanta Bescheid, und so ganz in die Tiefe will ich auch nicht darauf eingehen, Ihr könnt das hier selbst nachlesen.
Aber die Kurzform: Fanta war das Coca-Cola-Ersatzprodukt im zweiten Weltkrieg für Deutschland, weil es nicht mehr genug Rohstoffe gab. Geboren aus der Not. 
Und - wenn ihr mich fragt war das dunkelbraune Blubber-Getränk des Feindes wohl auch nicht besonders arisch... 

Nun gibt es brandaktuell einen Shitstorm im Internet, weil die Coca-Cola Deutschland in einem Werbespot für die Fanta Klassik die Flasche gezeigt hat, deren 75 Geburtstag feiert und an die "guten alten Zeiten" erinnert. 

Irgendjemand wusste wohl um die Fanta-Geschichte und schon entbrennt ein Streit, wie gut die alten Nazi-Zeiten wohl genannt werden dürfen. Skandal....!
Reflexartig, wie immer...


Mir persönlich geht diese Diskussion am eigentlichen Skandal leider vollkommen vorbei. Und der verbirgt sich neben dem Täusch-Dich-Aufdruck "weniger süss" in der Zutatenliste der Fanta Klassik:

Wasser, Zucker, Molkenerzeugnis(30%)(enthält Milch), Orangensaft aus Orangensaftkonzentrat, Zitronensaft aus Zitronensaftkonzentrat, Kohlensäure, Apfelextrakt, Säuerungsmittel Citronensäure, natürliches Aroma, Antioxidationsmittel Ascorbinsäure, Stabilisator Guarkenmehl





Hab ich nicht erst vor ein paar Tagen in einem Blogbericht vorausgesagt, dass wir Molke wegen der neuen Verfügbarkeit wieder in mehr Getränken sehen werden. Bitteschön. So schnell kann's gehen, mit einem Beispiel...


Es ist nicht nur der Umstand, dass die Kleine von den beiden Streiteeltern sowohl mit einem Glas als auch mit dem Inhalt der 250ml Sonderflasche schon über das Zucker-Tagessoll katapultiert wird, sondern dass man jetzt auch noch die Molke dazu packt. 


Wer verstehen will, wieso ich das als einen Aufreger empfinde, der kann hier mal eben schnell nachlesen, wieso das aller Wahrscheinlichkeit den Diabetes Typ II noch wesentlich wahrscheinlicher macht als der Zuckergehalt ohnehin schon alleine, bei regelmässigem Verzehr.



Was Eltern tun
Die Reaktionen von Eltern auf solche Tatsachen sind meistens irgendwo zwischen
"Ach, das bisschen Babyspeck", "Mir hat das auch nie geschadet", und mein Favoritensatz von allen "Man kann den Kindern doch nicht die Kindheit nehmen..." auf der einen Seite und Schuldgefühlen, weil sie es nicht besser wussten - auf der anderen Seite.


Den ersten kann ich nur sagen: 
Man kann kaum fataler irren. Die Prägung aus Süss ist in den ersten Jahren besonders stark (ganz besonders übrigens in den ersten 1000 Tagen), und wer hier nicht Obacht gibt legt den Grundstein für die nächste Adipositas-Karriere. 
Und das "Mir hat das auch nie geschadet" aus dem Mund einer Mutter, die bei uns mit einiger Energie versucht, ihre Kilos zu verlieren zeigt, dass sie den Ursprung ihres eigenen Gewichts-Problems noch nicht im ganzen Umfang erfasst hat.

Von der anderen Seite mit den Schuldgefühlen werde ich meistens dann gefragt, was ich denn als einen sinnvollen Umgang mit diesem Thema zu Kindern ansehen würde.

Was Eltern tun könnten
Ich würde das so zusammenfassen: 
Die Obergrenze der WHO ist auf der Basis einiger grösserer Untersuchungen festgesetzt worden, die mir kaum Zweifel lassen, dass man sie ernst nehmen sollte.

Die Gegenseite der Medaille ist aber, dass ein Totalverbot mit extrem grosser Wahrscheinlichkeit dafür sorgt, dass man aus dem Kind das macht, was ich einen Taschengeld-Rebellen nenne. Das, was es nicht zuhaus bekommt, wird dann mit dem Taschengeld besorgt, wenn keiner zuschaut. Oder man holt es sich beim Nachbarskind, falls das Taschengeld nicht reicht. Das heisst, man gibt als Eltern die Kontrolle die man wünscht ganz im Gegenteil dadurch vollkommen aus der Hand, wenn man stumpf verbietet.

Nun arbeite ich aber schon einge ganze Weile auch mit Müttern zusammen, die nach einigen Unterhaltungen das Zuckerthema für ihre Kinder sehr gut in den Griff bekommen haben.

Und das ging so: Kinder verstehen sehr viel mehr und auch sehr viel früher, als man teilweise denkt, wenn man ihnen Dinge erklärt. Und vorlebt. Nachdem die Mütter ihren Kindern erklärt haben, warum süss zwar gut schmeckt aber nicht wirklich gesund ist und das immer mal wieder wiederholt hatten kam es seitens der Kinder zu Aussagen wie "Danke schön, ich nehme das mit, wir essen nur Samstags süss" auf ein Geschenk hin oder "Mama, schau mal die haben eine ganze Kiste Cola, das ist total ungesund!" - 


Von allen Varianten, die ich im sinnvollen Umgang mit Kindern und Zucker gesehen habe, scheint mir das tatsächlich die erfolgreichste zu sein. Beibringen und Beispiel sein.



Zum guten Schluss
Auf der Tabelle steht auch das Verhältnis für die Erwachsenen mit drauf.
Es mag dem einen oder anderen Nicht-Kind womöglich ein Lichtlein  aufgehen...




Bis später 




Weiterführende Links:
Download Tabelle 
Zuckergehalt Getränkeauswahl

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