Mittwoch, 10. Juni 2015

Der gewallraffte Caterer - Hinterhergeschaut und das Lernpotential

KKommentar
Caterer gewallrafft - oder - wie schreibt man Hügiäne?

Ein bisschen Presseschau, über Reaktionen und das Lernpotential


Vorgestern abend noch werden bei RTL von Wallraff von seinem Team ein paar Missstände aufgezeigt, die in Grossküchen nicht nur relativ unhygienische Zustände sondern auch Gesetzesverstösse dokumentiert werden. 

Das ist deshalb besonders relevant, da die Lieferungen auch und vor allem an Kinder in Kitas und Schulen gingen, aber auch an Senioren in Wohnheimen. Also an gerade die, die am ehesten gefährdet sind, weil es bei ihnen noch nicht oder nicht mehr so gut bestellt ist um die Immunabwehr.

Reaktionen zu Wallraffs Futter-Check zu Schulessen und Altenheimkantinen


Wer das verpasst hat kann sich das "Vergnügen" noch ein paar Tage kostenfrei hier im Internet anschauen.

Ich verfolge so etwas dann ganz gerne ein bisschen weiter, z.B. was das so auslöst und was es bringt. und was man daraus lernen kann. Und bin erstaunt.
Naja, nicht über alles, aber einiges... 
Die Welt ist seltsam geworden.
Denn die Finger zeigen auf alle möglichen, nur nicht die Verantwortlichen...


Gar nicht erstaunt.
Die Stellungnahme unseres BuMELs habe ich fast wörtlich vorausgesagt, noch bevor ich überhaupt wusste, dass er in diesem Bericht vorkommt. 
"Das machen die Länder und wir machen das Schmidteinander." 
Genau. Wie immer. Alle machen, ausser Christian.

Aber Christian, Du alter Wage-Was... Die eine Finte war neu: 
"Ich könnte den Rahmen vorgeben. Aber ich tue es nicht. Ätsch." 
Eine gute Einstellung, wenn es um den Schutz von Kindern geht. Respekt.
Hör endlich auf, Selbstverantwortung der Bürger einzufordern und handle doch wenigstens einmal in Deiner Amtszeit, wie man es von einem gut bezahlten Bundesminister erwarten würde. Es ist DEIN JOB.


Nicht erstaunt.
Der Senioren-Massen-Versorger, der in der Sendung genannt wird beeilt sich, Herrn Wallraff und seinen Kumpanen vorzuwerfen, wie niederträchtig es doch sei, sich heimlich und unter falschem Namen mit versteckter Kamera Zutritt zu verschaffen. 

Oh ja! Wie gemein und verwerflich das ist! Pfui aber auch! 

Ungefähr so gemein und niederträchtig, wie 2200 Euronen im Monat von älteren Herrschaften und aus der Pflegekasse abzuzocken und für dieses schmale Geld pro Bewohner dann Essen zu servieren, dass hygienisch fragwürdig ist, dieses auf die redaktionielle Vorabanfrage dreist zu leugnen und ein Qualitätsmanagementsystem vorzugaukeln, das in Wahrheit entweder nicht vorhanden ist oder seinen Job unzureichend erledigt. 

Und, liebe Alt-Für-Geld-Betreuer... Ich möchte eine Wette platzieren: 
Wenn das nicht in dieser investigativen Form geschehen wäre - ich weiss, was Ihr dann gesagt hättet: Gibt es Beweise?! 

Tja. Die gibt es. Und ich sehe kaum einen anderen Weg, wie man solche beschaffen könnte. Euer Personal hat ja dicht gehalten. 
Oder wurde als unangenehm auffallend gekündigt, wenn es denn Gewissen gezeigt hat. 

Ich glaube nicht, dass Ihr irgendeinen Anspruch habt, die moralischen Grenzen festzulegen, oder etwas mit dem Wort Niedertracht zu bewerten. 

Aber ich wüsste jemanden, der das Recht hätte...
Vielleicht sollten wir mal Eure Bewohner fragen, die diese Sachen essen mussten, die Ihr da aufgetischt habt...



Mittelmässig erstaunt

Es gibt ja diese PR-Menschen, die einen Imageschaden abwenden sollen und die man im Fall einer solchen Aufdeckung anruft, um dann eine Stellungnahme aufzusetzen. 
Ich bin nicht sicher,  ob das hier geschehen ist, aber wenn, dann war die Agentur reichlich ungeschickt dabei. 

Denn wer bitteschön kommt auf die Idee, etwas zu leugnen, von dem es Videoaufnahmen gibt?

Ebenfalls geschickter wäre es gewesen, die eigenen Antworten auf die redaktionellen Vorabanfragen mit der aktuellen Stellungnahme abzugleichen. 

Denn wenn einmal Zweifel aufgekommen sind, dann ist das ungeschickteste, was man machen kann, sich selbst zu widersprechen. 

Warum mich das nur mittelmässig erstaunt? Ich denke, das waren Fehler, die in der Eile passiert sind, da die Stellungnahme ja doch mit heisser Nadel gestrickt worden ist.

Aber eines verstehe ich bei so etwas nie: 
Wie wäre es denn einmal, mit der offensichtlichsten aller Lösungen, die es für so etwas gibt? 
Zugeben, sich in aller Form entschuldigen und nachweisen, dass man ab da daraus gelernt hat und anders handelt als vorher. 

Wer nach so einem Skandal gleich weiter machen muss wie vorher und gar nicht anders handeln kann - der fliegt doch zurecht aus dem Goldfischteich. 
Menschen verzeihen Fehler. Lügen nie.

Das Regionalfernsehen hat dann dieses Thema auch gleich aufgegriffen
Ich finde, diese Stimmen darf man ruhig mit berücksichtigen, wenngleich ich wenig sah, was wirklich entlastend schien. 

Und der Umstand mit dem Hackfleisch über dem Verbrauchsdatum hat man in der Regionalsendung wohl "vergessen". 

Positiv fand ich, dass einige Einkäufer erst einmal die Bestellungen ausgesetzt haben und die weitere Entwicklung abwarten. Das mag zwar dem Caterer gerade nicht helfen, aber den Kindern bestimmt. Da kann man nur sagen: Dankeschön für die Entschlossenheit.
Ausgehend davon, dass die Recherchen sorgfältig erfolgt sind, und die Bilder echt waren, die über RTL gesendet wurden, sehe ich aber eines vollkommen anders als in dem Regionalbeitrag: Nicht die Ausstrahlung der Undercover-Bilder hat die Arbeitsplätze und den Fortbestand des Unternehmens gefährdet, sondern die Führung, die solche Bilder überhaupt erst möglich gemacht hat. 


Sehr erstaunt

Der Stern hat zu der Sendung gleich zwei Mal eine Meinung.


Zum einen weiss der Stern-e-koch Güngormüs zu berichten, dass der Verbraucher der Schuldige ist. Und dass das alles ein alter Hut sei. 

Ali, Du Kochstern... Da hast Du schon ein bisschen Recht bei, das knappe Geld ist wohl wirklich Teil des Problems. 

Aaaaber: Die Täuschung, die hier den Verbrauchern gegenüber erfolgt ist, und die wohl teilweise kriminell war, ist sicher nicht Schuld des Verbrauchers, denn das genau ist ja die Natur einer Täuschung. Man weiss es nicht.

Und gerade das bringt alle in Verruf, die Essen für andere kochen. 
Warum Du dann deshalb davon ablenkst, was hier das eigentliche Problem war, verstehe ich nicht ganz. Ich muss auch ein bisschen zweifeln, dass der Hut wirklich so alt war, wenn ich  so an die Reaktionen denke, die ich so nach der Sendung an verschiedenen Stellen las. 

Jedenfalls ist es doch nur legitim, diesen Hut mal wieder ins Spotlicht zu ziehen, oder etwa nicht? 

Und Ali, eine Frage habe ich an Dich... und an alle anderen, die Deinem Argument immer mal wieder in diesem Bereich folgen: 

Wir geben jetzt durchschnittlich 2,86 Euro hin, damit der Schülerbauch gefüllt wird. 
Und gesetzt den Fall, wir machten morgen 4 Euro daraus... 
Glaubst Du im Ernst, dass Menschen, die auf Profit aus sind - wie einer der gezeigten Verantworlichen ja sogar wortwörtlich in der Wallraff-Doku gesagt hat - die 1,14 extra in QUALTIÄT umsetzen?! Statt in - weiteren Profit?! Hehe. Klar...

Solange hier weder Garantien noch Kontrollmechanismen bestehen, kannst Du den Verbraucher noch nicht verantwortlich machen. Da muss erst eine Veränderung der Systeme erfolgen. Sonst wird das nichts.

Und ein bisschen mehr Geld in den Taschen derer, die die 4 Euro bezahlen sollten, wäre im Übrigen sicher auch ganz hilfreich.



Zum anderen ist da Thilo Mischke, der Wallraff Rattenfängerei vorwirft

Thilo, in dem Film-Beitrag waren keine Ratten, die zu fangen gewesen wären. 
Gott sei Dank, sonst wäre das alles ja noch schlimmer gewesen... 

Aber mal im Ernst.... Wirklich?! Du argumentierst, das sei Effekthascherei und nichts Neues? 

Aha! Wieso ist der Bericht dann nicht von Dir gekommen? Nur mal so...? 
Drum prüfe, wer den Schimmel findet...

Du schreibst darunter, Du suchst nach journalistischen Vorbildern? 
Es mag nicht Dein Weg sein, den Wallraff ging... aber ich glaube eigentlich suchst Du nicht nach Vorbildern, sondern nach dem Journalisten in Dir. Viel Glück!



Ein bisschen traurig

160 Mitarbeiter müssen seit der Ausstrahlung der Sendung um ihren Job bangen.

Man könnte jetzt sagen - nu ja, selbst Schuld. 
160 Augenpaare, die gesehen, aber 160 Münder, die nix gesagt haben.

Ganz so einfach ist das wohl nicht. 
Immerhin haben die 160 Augenpaare teilweise ein paar Menschen zu Hause, die gerne etwas im Kühlschrank hätten und mit Sicherheit sind viele der 160 erstmal einfach nur froh, dass sie überhaupt eine Arbeit haben. 

Was passiert denn, wenn man den Ast absägt, von dessen Äpfeln man den Kühlschrank füllt? Realistisch betrachtet endet das - wie man auch immer will - mit dem Verlust des Jobs. Entweder man fliegt auf, während man dokumentiert, oder die Firma kippelt die Wupper hinunter. In jedem Fall ist man als Petze der Mops.

Das alles wäre noch ein bisschen anders, wenn wir mit solchen Menschen, die ihr Gewissen nicht weiter belasten wollen anders umgehen würden. Vielleicht könnte da die eine oder andere Institution mal eine helfende Hand drüber halten? 
Ich hätte sogar eine Idee, wie man das finanziert.
Wie wäre es, wenn wir ein bisschen etwas von den Subventionen abzwacken, die Konzerne bekommen, die damit noch höhere Gewinne einfahren und auf dieses geschenkte Geld nun wirklich nicht annähernd so angewiesen wären wie Gerlinde Gewissen, die es satt hat, den Alten den Schimmel auf den Teller zu packen? 



Ziemlich traurig
Wir stellen unsere Kinder schlechter als unsere Haustiere. 
Das war mir nicht so sehr  bewusst, bis ich das mit der Mehrwertsteuer gesehen habe. Gratuliere. Der nächste, der das ändern könnte und nicht tut, aber gleichzeitig sagt, Deutschland hat zu wenig Kinder, dem tackere ich eigenständig eine Hundesteuermarke auf die Stirn... 



Mein Fazit


Ich glaube alles in allem krankt es daran, dass die, die verantwortlich sind den Blick auf den Kunden hinter ihren Excel-Gewinn-Tabellen genauso verloren haben, wie wohl auch den Blick auf die Mitarbeiter. Und gleich dazu noch so etwas wie ein bisschen moralisches Ehrgefühl. Puff... Weg.


Firmen wie diese scheitern daran, dass es keine Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen zu geben scheint, denn wäre die da, dann gäbe es etwas zu bewahren, und dann wären Missstände, die eine so grosse Belegschaft komplett in Existenznöte bringen können, sicherlich schon aus Überzeugung irgendwie intern abzustellen, noch lange bevor sie im Fernsehen landen. 

Wo Menschen nur noch austauschbare Personalnummern sind, und irgendwie niemand mehr für irgendwas wirklich namentlich verantwortlich ist (wie oft kam sinngemäss der Satz "Das kommt von oben, machen und Schnauze halten..."?)  - dort passieren auch diese Dinge.

Und wenn das mal ans Tageslicht kommt, dann ist das ein Moment, wo der Verbraucher dann mal wirklich Eigenverantwortung zeigt - und die Beine in die Hand nimmt.
Hasta la Vitesca, oder...


Bis später.


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